„Stillvergnügt“ von Mathias Schmid – die Wahrnehmung eines bäuerlichen Sujets in Tiroler Zeitungen 1879–1885

Raphaela Wild

Das Werk „Stillvergnügt“ ist ein 108,5 x 73,5 cm großes Ölgemälde, das ein junges Paar in einer typisch tirolischen Bauernstube an einem Tisch nebeneinandersitzend darstellt. Die Wände der Stube sind etwa mannshoch vertäfelt und in der einzigen auf dem Werk sichtbaren Ecke befindet sich der für eine solche Räumlichkeit charakteristische „Herrgottswinkel“, der mit dem bekannten Gnadenbild Mariahilf von Lucas Cranach dem Älteren sowie diversen kleineren nicht erkennbaren Bildchen versehen ist. Vom Fenster aus strahlt helles Licht in das Zimmer herein, das vor allem die in Trachtenkleidung gehüllten Figuren beleuchtet, die sich zugleich lächelnd anschauen. Die dargestellte Frau hält einen Blumenstrauß, an dem zwei rote Bändchen befestigt sind, in ihren Händen, während der Mann einen Arm um sie legt und sich mit der anderen Hand an seinem Hosenträger festhält.

Während Schmid sich in den Jahren davor mit der Kirche angelegt hatte, gab er sich hier betont angepasst. Das lohnte ihm auch die Presse, indem sie die „wahrheitsgetreue“ und „authentische“ Schilderung des „einfachen Lebens“ hervorhob. Galt die Bauernstube in der Mitte des 19. Jahrhunderts noch als düster und unhygienisch, übte sie nur wenige Jahrzehnte später eine große Anziehungskraft aus. Sie stand für einen gemütlich idyllischen Charakter, in dem sich „Heimat“ und zugleich die Sehnsucht der städtischen Bevölkerung nach Intimität und Wärme verorten ließen. Im Hintergrund ist hier der fortlaufende Prozess der Industrialisierung und Urbanisierung mitzudenken.

Dazu passten die stets gleich modellierten Figuren in typisch Tiroler Kleidung, mit einem fröhlichen oder zufriedenen Gesichtsausdruck, die dargestellte Strammheit und körperliche Unversehrtheit. Der Charakter sollte Werte wie Genügsamkeit und Gottergebenheit ausdrücken, wobei die religiösen Momente eine immer weniger bedeutende Rolle spielten. Großer Wert wurde – so die Zeitungsberichte in vielen Facetten – auf den Arbeitswillen und Fleiß der bäuerlichen Bevölkerung gelegt. Wie in „Stillvergnügt“ das Wollknäuel und das Körbchen mit einem roten Stoff darin darauf schließen ließ, dass die junge Frau gerade noch ihrer Arbeit nachgegangen sei, wurden in anderen Bildern die von der Feldarbeit wettergebräunten Gesichter und ein vom vielen Arbeiten gekrümmter Rücken als sehr arbeitsam wahrgenommen.

Die Künstler selbst – Mathias Schmid und noch viel mehr Franz Defregger und Alois Gabl – wurden als authentische Vertreter Tirols gesehen, ungeachtet der Tatsache, dass sie viel Zeit in München verbrachten und damit in anderen Kontexten lebten. Defregger entsprach dem Tiroler Wunsch- und Zerrbild vielleicht noch am meisten, während sich Mathias Schmid immer wieder kritisch gegenüber Autoritäten äußerte und Gabl unter Depressionen litt, die schließlich in einem Selbstmord endeten.

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