Der Mörser von 1506 – vom Gebrauchsgegenstand zum „nationalen Schatz“ des 20. Jahrhunderts?

Dominik Heis

Auf dem Mörser befindet sich die Inschrift „+ ICH + EBERHART + KOSFELDER + M+CCCCC+VI“. Damit handelt es sich tatsächlich um ein Objekt vom Beginn des 16. Jahrhunderts. Ohne über den ursprünglichen Eigentümer etwas Genaueres zu wissen, verweisen die Museumsakten rund um den Erwerb nur auf die Stadtapotheke Mals im Vinschgau im Jahr 1939. Für einen Apotheker scheint der Mörser auch hergestellt worden zu sein, denn für einen Küchenmörser wäre er wohl zu groß gewesen. Der Kunstsammler Franz Grüner, der den Mörser von seinem Bruder, dem Eigentümer der Malser Apotheke, geerbt hatte, wollte ihn schon 1933 an das Ferdinandeum verkaufen, um aus seiner Geldknappheit herauszukommen. Daher konnte und wollte er sich auch nicht auf eine Schenkung einlassen. Der Mörser sei auch nicht einfach ein Gebrauchsgegenstand, sondern er sei schon auf einer Gewerbeausstellung in München gezeigt worden, so seine Argumentation. Das Ferdinandeum zeigte sich jedoch zunächst nicht interessiert.

Allerdings schaffte es der Mörser im folgenden Jahr – aufgewertet durch eine Zunftlade der Innsbrucker Färberzunft und einen silbernen Deckelbecher – zumindest als Leihgabe ins Museum. Bis 1939 erarbeitete sich der Mörser so den Weg zu einem geschätzten Objekt, für das das Ferdinandeum nun 800 Reichsmark zu bieten bereit war. Für die „Tirolische Mörsersammlung“ sei das Stück mittlerweile unentbehrlich geworden. Dahinter standen auch die neuen Mittel, die dem Ferdinandeum nach dem „Anschluss“ zur Verfügung standen, um „deutsches Kulturgut“ zu sammeln. Entsprechend stolz wurden die Neuerwerbungen von 1938 und 1939 in einer Ausstellung präsentiert.

Über Museumsführer und Ausstellungskataloge lässt sich die weitere Karriere des Mörsers nachverfolgen. 1961 taucht in einer Beschreibung erstmals der Name des bekannten Innsbrucker Gießers Peter Löffler mit dem Hinweis auf, dass dieser einen ähnlichen Mörser hergestellt habe. Noch war es allerdings nicht so weit, dass dieser Vergleich das Objekt in den Vordergrund gespielt hätte. Im Gegenteil – der Mörser schien zunächst für einige Jahrzehnte ins Zeughaus abzuwandern. Das Jahr 1996 mit dem Fokus auf Maximilian I. und das erstrittene Jubiläumsdatum des Goldenen Dachls rückte nun allerdings alle Objekte aus der Zeit um 1500 in den Fokus. Die Ausstellung „Ruhm und Sinnlichkeit. Innsbrucker Bronzeguss 1500–1650“ war der Beitrag des Ferdinandeums, das die Künstler und Gießer hinter den Ausstellungsstücken ehren wollte. Damit passte auch der Mörser von 1506 ins Bild – allerdings nun aufgewertet und passend gemacht mit der Zuschreibung, dass er von Peter Löffler hergestellt worden sei.

Hat der Mörser aber nun tatsächlich die Transformation zum „nationalen Schatz“ vollzogen? Vielleicht ist die Bezeichnung „nationaler Schatz“ für einen Gegenstand, der außerhalb des Apothekerwesens eine klare, gesellschaftliche Nebenrolle einnimmt, etwas zu hochgegriffen. Vielleicht hat man 1939 auch nicht primär an diesen bestimmten Mörser gedacht, als hinsichtlich der Ausstellung von bedeutenden, großartigen und einmaligen Objekten die Rede war. Und selbst bei der Ausstellung 1996 kann höchstens von einem Nebendarsteller die Rede sein. Trotzdem hat hier ein Museum aktiv um die Erwerbung des Mörsers „gekämpft“, dessen Bedeutung für Tirol und das Museum mehrmals hervorgehoben wurde und der gemeinsam mit anderen Objekten die Rolle einnahm, für eine bedeutende Vergangenheit Tirols zu stehen.

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