26. Okt. bis 1. Nov.

Das umstrittene 4. Bergiseltreffen

Am 1. November 1809 kam es zur letzten militärischen Auseinandersetzung am Bergisel. Michael Pfurtscheller war als Kommandant des Stubaier Aufgebots dabei und berichtet Jahre später von seinen Erlebnissen.

Die Feinde waren so nahe, daß eben der Fürst Wrede [Karl Philipp von Wrede, Kommandant einer der zwei in Innsbruck stationierten bayerischen Divisionen] höchstens nur 2 Scheibenschützen weit bei der Cognoszierung [Lageerkundung] von uns entfernt war. (Ein Schmid von Fulpmes zeigte ihm den blanken Hintern) Von früh um 6 Uhr bis 9 Uhr dauerte noch das Gefecht von Zirl bis Hall; dann erstürmten die Bayern die Verschanzungen auf allen Seiten, u. [wir] traten auf der Straßen u. durch die Waldungen des Iselberges den Rückzug an. (Pfurtscheller an Rapp, TLA)

So beschreibt Michael Pfurtscheller aus Fulpmes im Stubaital die 4. und letzte militärische Auseinandersetzung zwischen Bayern und Tirolern am Bergisel. Eigentlich war ja schon Friede zwischen Kaiser und Napoleon geschlossen worden. Die Frage, warum dennoch gekämpft wurde, beschäftigt bis heute die Historiker. Pfurtscheller ermöglicht einen in der neueren Literatur noch nicht berücksichtigten Blick auf die Geschehnisse in den Verschanzungen der Tiroler in diesen Tagen. Die Vorbereitungen auf Tiroler Seite waren alles andere als optimal verlaufen, so bezeichnet es Viktor Schemfil in seiner militärhistorischen Darstellung des Jahres 1809. Ausschlaggebend für die Tiroler Niederlage sei nicht mangelnde Truppenstärke gewesen, vielmehr habe ein wohldurchdachter Angriffsplan und eine einheitliche, energische Führung gefehlt. Pfurtschellers Berichte zum Geschehen lassen auf fehlende Motivation zumindest seiner Person schließen. Er habe – so schildert er es in seinen in den 1830er Jahren für Joseph Rapp verfassten Berichten – von verschiedenen Seiten vom bereits am 14. Oktober geschlossenen Frieden von Schönbrunn erfahren und diesen Nachrichten auch Glauben geschenkt. Im Lager der Tiroler sei diese Nachricht jedoch negiert worden. Als er seine Kommandanten Anton Aschbacher und Franz Thalguter von der Friedensnachricht in Kenntnis setzen wollte, hätten diese ihn mit Arrest bedroht, sollte er nicht darüber schweigen. Auch die von einem bayrischen Parlamentär ins Lager am Bergisel gebrachten Abdrucke des Friedensübereinkommens wurden nicht beachtet.

Weiter berichtet Pfurtscheller, sein Schwager sei am 29. Oktober mit der Friedensnachricht zu ihm geschickt worden, um mich in Nahmen der Gem. [Gemeinde] Vorsteher des Thales Stubaj zu erinnern […], die Streitmannschaft heimlich haimkehren zu machen. Worauf Pfurtscheller geantwortet haben will: Mein Schwager, ich wage es nicht mich mit meinen Leuten aus dem Lager nach Stubai zurückzuziehen, um nicht in den Verdacht zu gelangen, ich fürchte mehr die Schüsse der eigenen Landsleute als die der Feinde. (Nachlass Pfurtscheller, Historische Sammlung Ferdinandeum)

Wie bei allen sogenannten Tagebüchern und umso mehr bei der Erinnerungsliteratur muss auch bei den Berichten Pfurtschellers aufgrund der zeitlichen Distanz zwischen Ereignis und Niederschrift des Berichts, so Martin P. Schennach in seinem Buch „Revolte in der Region“, immer auch der Rückkoppelungsprozess mit dem sich massiv verändernden öffentlichen Erinnerungsdiskurs berücksichtigt werden. Schenkt man diesen Berichten Pfurtschellers jedoch, auch mit Abstrichen, Glauben, so ist dies eines der Zeugnisse, die den zeitgenössischen Zweifel an der Sinnhaftigkeit des Novembertreffens gut darstellen.

Michael Span

Quellen und Literatur:

– Historische Sammlung Ferdinandeum, Nachlass Michael Pfurtscheller, Schachtel III, Mappe 1809, Nr. 77.
– Tiroler Landesarchiv, Nachlass Rapp, Schuber 18, Bund 18e Nr. 6.
– Michael Forcher, Anno Neun. Der Tiroler Freiheitskampf von 1809 unter Andreas Hofer. Ereignisse, Hinter-gründe, Nachwirkungen, Innsbruck 2008.
– Viktor Schemfil, Der Tiroler Freiheitskrieg 1809. Eine militärhistorische Darstellung. Für den Druck vorbereitet und herausgegeben von Bernhard Mertelseder (Schlern Schriften 335), Innsbruck 2007.
– Martin P. Schennach, Revolte in der Region. Zur Tiroler Erhebung von 1809 (Veröffentlichungen des Landesarchivs 16), Innsbruck 2009.