„Schlacht“ am Bergisel?
Während eine Reihe von Autoren einzelne militärische Auseinandersetzungen des Jahres 1809 als „Schlachten“ mystifizierend hochstilisierten und dadurch der Eindruck entstand, es handelte sich um kriegerische Großereignisse, wie sie aus den beiden Weltkriegen bekannt sind, bevorzugt Schemfil den Begriff des „militärischen Treffens“, mit dem er die Sachlagen weitgehend neutral zu fassen versucht. (Schemfil, Freiheitskrieg, S. X).
So schreibt Bernhard Mertelseder im Vorwort des von ihm herausgegebenen Buches „Der Tiroler Freiheitskrieg 1809. Eine militärhistorische Darstellung“ von Viktor Schemfil. Die Ablehnung des Begriffs „Schlacht“ im Zusammenhang mit den Kämpfen des Tiroler Aufstandes ist mit Sicherheit begrüßenswert. Weniger aber um die Leistungen der damals Beteiligten zu schmälern, als vielmehr um falschen weil übertriebenen Bildern zu den Ereignissen von vor 200 Jahren vorzubeugen; impliziert der Begriff „Schlacht“ doch Vorstellungen massiver militärischer Auseinandersetzungen. Auseinandersetzungen in einer Größenordnung, wie sie am Bergisel nie stattgefunden haben. Während nämlich in der Schlacht um Wagram vom 5. und 6. Juli 1809 etwa 300.000 Soldaten kämpften, so zählt die Historiographie für den 13. August rund 17.000 Tiroler bzw. 18.000 gegnerische Soldaten, in Summe also gerade einmal ein Zehntel der Kämpfer von Wagram. Dazu kommt noch, dass für den Ausgang des Treffens … genaue Zahlen auch belanglos sind, da auf beiden Seiten nur ein Teil im Gefecht stand, wie Schemfil in „Der Tiroler Freiheitskrieg 1809“ auf Seite 219 festhält. Denn während etwa die Schlacht um Wagram nach den damaligen Regeln der Kriegsführung stattfand, die einzelnen Truppenverbänden direkt aufeinander zu marschierten, muss man sich die Gefechte am Bergisel weitgehend als eine Reihe einzelner, nicht koordinierter Aktionen der verschiedenen Kampfgruppen vorstellen. Wobei die Tiroler meist aus gesicherter Deckung agierten und ihre Gegner nach mehrmalig erfolglos absolvierten Sturmläufen bemüht waren, ebenfalls ihre Stellungen zu halten.
Dass die Kämpfe um den Bergisel dennoch als Schlacht bezeichnet werden, ist, wie ein Blick auf die rund 200jährige Tradition der Geschichtschreibung zum Jahr Anno Neun zeigt, vermehrt ein Phänomen des 20. Jahrhunderts. Der Begriff taucht zwar schon in frühen Werken auf, etwa in „Der Krieg der Tyroler Landleute im Jahre 1809“ von Jakob Bartholdy, 1814 veröffentlicht (siehe hier beispielsweise die Kapitelüberschrift „Schlacht am Bergisel am 13. August“), häufiger verwendet werden aber die Bezeichnungen „Treffen“ und „Gefecht“. So auch von den Autoren der Standardwerke des späten 19. Jahrhunderts, nämlich Joseph Rapp und Josef Egger. Die bis heute wirkmächtigste Arbeit zum Aufstand Tirols, Josef Hirns „Erhebung“, erschien zum 100jährigen Jubiläum, verwendet hingegen, vor allem für die Kämpfe vom 29. Mai und 13. August die Bezeichnung „Schlacht“. Ein Beispiel, das für das gesamte 20. Jahrhundert Schule gemacht hat, wenn man an die bis heute übliche Bezeichnung „Bergiselschlacht“ denkt, auch wenn sich nun im 21. Jahrhundert ein neues Problembewusstsein hinsichtlich des 1809-typischen Vokabulars abzuzeichnen beginnt, das sich beispielsweise an folgender Passage in der von Michael Forcher 2008 Arbeit „Anno Neun“ zeigen lässt:
Über den unglücklichen Ausgang des „Treffens“, das man – militärhistorisch gesehen – noch weniger als die früheren als „Schlacht“ bezeichnen kann, wurde er [Hofer] fast wie ein Außenstehender informiert. (Forcher, Anno Neun, S. 92).
Peter Andorfer
Quellen und Literatur
– Jakob Bartholdy, Der Krieg der Tyroler Landleute im Jahre 1809, Berlin 1814.
– Josef Egger, Geschichte Tirols von den ältesten Zeiten bis in die Neuzeit, Bd. 3,2, Innsbruck 1880.
– Michael Forcher, Anno Neun. Der Tiroler Freiheitskampf von 1809 unter Andreas Hofer. Ereignisse, Hintergründe, Nachwirkungen, Innsbruck 2008.
– Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909.
– Viktor Schemfil, Der Tiroler Freiheitskrieg 1809. Eine militärhistorische Darstellung. Für den Druck vorbereitet und herausgegeben von Bernhard Mertelseder (Schlern Schriften 335), Innsbruck 2007.
– Joseph Rapp, Tirol im Jahre 1809, nach Urkunden dargestellt, Innsbruck 1852.