Edith Schemfil

Edith Schemfil wurde am 6. September 1915 in Gotha, der Heimatstadt Ihrer Großeltern mütterlicherseits, geboren. Ihre Eltern Editha Margarete Auguste Schemfil, geborene Teetzmann, und Viktor Josef Franz Schemfil, zu diesem Zeitpunkt Hauptmann der k. u. k. Armee, hatten ihren Wohnsitz laut Taufschein eigentlich jedoch in Trient, im südlichen Tirol, wo Letzterer kriegsbedingt stationiert war.[1] Ihre Schulzeit, 1922–1934, erlebte Edith Schemfil dann allerdings in Österreich. Zunächst besuchte sie die Volksschule, dann – trotz ihrer evangelischen Konfessionszugehörigkeit – das Realgymnasium der Dominikanerinnen Marienberg in Bregenz. Blickt man in ihre Schulzeugnisse, war sie eine durchwegs gute Schülerin, lediglich in der oberen Klassen des Gymnasiums bereitete ihr das Fach Mathematik offensichtlich etwas Schwierigkeiten.[2]

Nachdem sie mit ihren Eltern nach Innsbruck gezogen war, begann sie im Wintersemester 1935/36 ihr Medizinstudium an der Universität Innsbruck, an der sie, nachdem sie im Wintersemester 1938/39 an der Universität München und 1939 ein Trimester an der Universität Wien studiert hatte,[3] am 30. September 1940 zum Doktor der Medizin promoviert wurde.[4] Während dieser Zeit, konkret am 5. April 1939, trat Edith Schemfil aus der evangelischen Kirche aus, erklärte sich jedoch als weiterhin „gottgläubig“.[5]

Umgehend nach ihrer Promotion, noch vor dem Erhalt ihrer Bestallungsurkunde – ausgestellt am 30. Januar, gültig ab 22. Januar 1941 beziehungsweise erst nach Absolvierung von Pflichtassistenzzeit und „Landvierteljahr“[6] –, trat Schemfil eine Stelle als Assistenzärztin im Kreiskrankenhaus Kreckelmoos in Reutte an. Mit Wirkung vom 30. September 1941 verließ sie „auf eigenen Wunsch aus gesundheitlichen Gründen“ diese Dienststelle jedoch schon wieder.[7]

Wenig später, am 2. Dezember 1941, unterschrieb Edith Schemfil allerdings bereits ihren nächsten Dienstvertrag, als „vollbeschäftigte Hilfsärztin“ beim Gesundheitsamt des Landrates in Schwaz. Der Gültigkeitsbeginn des Vertrages wurde rückdatiert auf den 1. Oktober 1941.[8] Eine entsprechende Bewerbung Schemfils vom 30. September 1941 liege vor, heißt es in einem Schreiben der Reichsstatthalterei vom 11. November 1941.[9] Die notwendige Genehmigung aus Berlin für eine derartige Stellenvergabe blieb in der Folge jedoch offenbar aus, da lediglich Ärzte mit Vollbestallung – diese Voraussetzung erfüllte Schemfil, nach nur knapp einjähriger Assistenzzeit und mit noch nicht absolviertem verpflichtendem Landvierteljahr, nicht – beschäftigt werden durften. Seitens der Reichsstatthalterei in Tirol und Vorarlberg wurde dieses Hindernis auf dem Wege der Einstellung auf Grundlage einer Notdienstverordnung umgangen – mehr über die Unterstützung für Schemfil aus der von Hans Czermak geleiteten, für Gesundheitswesen und Volkspflege zuständigen Abteilung der Reichsstatthalterei im Abschnitt zur Rolle Edith Schemfils in der NS-Zeit.[10] Ihre „Vollbestallung“ erlangte Schemfil erst mit 4. November 1943, nachdem das zuständige Ministerium entschieden hatte, ihre Tätigkeit beim Gesundheitsamt in Schwaz „ausnahmsweise auf die Pflichtassistenzzeit und Landvierteljahr voll anzurechnen“.[11]

Zuvor schon, ab Januar 1942 war die junge Medizinerin – sie war zu diesem Zeitpunkt gerade einmal 26 Jahre alt – durch die Einberufung des ihr vorgesetzten Amtsarztes zur Leiterin des Gesundheitsamtes des Landrates Schwaz geworden.[12] Es war ihre Tätigkeit in dieser Funktion, für die sich die Staatsanwaltschaft und das Volksgericht Innsbruck in den Jahren 1946 und 1947 interessierten. Die Untersuchung wurde jedoch bald eingestellt, das vorübergehende Berufsverbot als Ärztin aufgehoben. Hintergründe der letztendlich folgenlos gebliebenen Erhebungen gegen Edith Schemfil und Allgemeines zu deren Verhältnis zum Nationalsozialismus sind HIER nachzulesen.

Nach der Aufhebung des Berufsverbotes bemühte sich Edith Schemfil, die sich in der Zwischenzeit ihren Lebensunterhalt mit verschiedenen Gelegenheitstätigkeiten verdient hatte,[13] darum, an der Innsbrucker Universitätsklinik als Assistenz- beziehungsweise „Gastärztin“ aufgenommen zu werden, um die während der Zeit des Berufsverbotes „entstandenen Wissenslücken“ schließen zu können, wie sie in ihrem Bewerbungsschreiben angab.[14] Diese Bestrebungen blieben jedoch erfolglos, woraufhin sie Anfang September 1949 eine Praxis ohne Kassenverträge eröffnete – zunächst in ihrem Wohnhaus in der Kochstraße 1; Anfang Dezember 1950 erfolgte der Umzug in die Gumppstraße 45.[15] Zwischen 1949 und 1955 suchte Schemfil dann wiederholt um Zulassung einer Kassenpraxis an,[16] womit sie jedoch erst im Oktober 1955 Erfolg hatte.[17] Bis 1989 war Schemfil als praktische Ärztin in dieser Ordination aktiv, dann beantragte sie ihre Pension.[18]

Edith Schemfil blieb unverheiratet. In ihrer Freizeit reiste sie viel – vor allem nach Italien, in die Schweiz und nach Deutschland sowie ins damalige Jugoslawien.[19] In den 1980ern widmete sie sich (erfolgreich) verstärkt der Wiederveröffentlichung der militärhistorischen Schriften ihres Vaters, besonders jedoch bemühte sie sich um die Publikation eines von ihm hinterlassenen Manuskripts zur Geschichte des Aufstandes in Tirol im Jahr 1809.[20] Wohl auf diesem Wege kam Schemfil auch mit Verleger Peter Kienesberger vom in Nürnberg ansässigen Buchdienst Südtirol in näheren Kontakt.[21] Als ehemaliges Mitglied des Befreiungsausschuss Südtirol (BAS) war dieser wegen Beteiligung an terroristischen Anschlägen in Italien zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden,[22] 1966/67 war er neben Norbert Burger einer der Mitbegründer der später verbotenen rechtsextremen Nationaldemokratischen Partei,[23] der bayerische Verfassungsschutz berichtete 2001,[24] er würde über seinen Verlag „rechtsextremes Gedankengut“ verbreiten. Inwieweit Schemfil Kienesbergers politische Ansichten teilte, ist allerdings nicht eruierbar. Zum burschenschaftlichen Milieu, dem dieser nahe stand, dürfte jedenfalls auch sie bereits seit ihren Jugendjahren in Bregenz und während des Studiums in Innsbruck ein gewisses Naheverhältnis gehabt haben.[25] So war sie dann auch als Ehrengast zum großen, führend von den Innsbrucker schlagenden Korporationen – allen voran der Burschenschaft Brixia – organisierten, Gedenkkommers „175 Jahre Tiroler Freiheitskampf“ 1984 im Innsbrucker Kongresshaus geladen.[26]

Auch abgesehen von den Bestrebungen um die Veröffentlichung der Arbeiten ihres Vaters entdeckte Schemfil in diesen Jahren offensichtlich ihr Interesse für historische Themen; sie schrieb sich im Wintersemester 1982/83 an der Universität Innsbruck für die Studienrichtungen Geschichte, Kunstgeschichte und Psychologie ein. Bis inklusive Sommersemester 1992 ist sie in den Unterlagen der Universität als ordentliche Hörerin geführt. Informationen über etwaige abgelegte Prüfungen scheinen keine auf.[27] Das Studium schloss sie jedenfalls nicht ab.

Am 17. Mai 1994 verstarb Edith Schemfil im Alter von 78 Jahren.


[1] Abschrift Geburtsurkunde Edith Schemfil, 13.10.1915, ZEG-Archiv, Nachlass Schemfil, Kryptonachlass Edith Schemfil, Nr. 9.

[2] In der sechsten, siebenten und achten Klasse des Gymnasiums wurden ihre Leistungen mit „genügend“ bewertet: Schulzeugnisse Edith Schemfil, 1923–1934, ZEG-Archiv, Nachlass Schemfil, Kryptonachlass Edith Schemfil, Nr. 9.

[3] Absolutorium Edith Schemfil, 14.3.1940, ZEG-Archiv, Nachlass Schemfil, Kryptonachlass Edith Schemfil, Nr. 9.

[4] Abschrift Promotionsurkunde Edith Schemfil, 27.7.1943, ZEG-Archiv, Nachlass Schemfil, Kryptonachlass Edith Schemfil, Nr. 9.

[5] Bescheid Kirchenaustritt Edith Schemfil, 6.4.1939, ZEG-Archiv, Nachlass Schemfil, Kryptonachlass Edith Schemfil, Nr. 9. Zur Bedeutung der „Gottgläubigkeit“ als möglicher Hinweis auf ideologische Nähe zum Nationalsozialismus siehe zum Beispiel: Eckart Conze, Norbert Frei, Peter Hayes, Moshe Zimmermann: Das Amt und die Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik. Karl Blessing Verlag, München 2010, S. 157; sowie: Hans-Jürgen Becker: Neuheidentum und Rechtsgeschichte, in: Die Deutsche Rechtsgeschichte in der NS-Zeit. Ihre Vorgeschichte und ihre Nachwirkungen (Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts 12), hg. v. Joachim Rückert und Dietmar Willoweit, Tübingen 1995, S. 7–29, hier: S. 15.

[6] Bestallungsurkunde Edith Schemfil, 30.9.1941, ZEG-Archiv, Nachlass Schemfil, Kryptonachlass Edith Schemfil, Nr. 9.

[7] Abschrift Dienstzeugnis Edith Schemfil, 1.10.1941, ZEG-Archiv, Nachlass Schemfil, Kryptonachlass Edith Schemfil, Nr. 9.

[8] Dienstvertrag Edith Schemfil, 1.12.1941, ZEG-Archiv, Nachlass Schemfil, Kryptonachlass Edith Schemfil, Nr. 9.

[9] Reichsstatthalterei an Edith Schemfil, 11.11.1941, ZEG-Archiv, Nachlass Schemfil, Kryptonachlass Edith Schemfil, Nr. 9.

[10] Vgl. Reichsstatthalterei an Edith Schemfil, 29.7.1942, ZEG-Archiv, Nachlass Schemfil, Kryptonachlass Edith Schemfil, Nr. 9; sowie: Notdienst-Anforderung Edith Schemfil, 23.6.1942, ZEG-Archiv, Nachlass Schemfil, Kryptonachlass Edith Schemfil, Nr. 9.

[11] Vermerk auf Bestallungsurkunde Edith Schemfil, 4.11.1943, ZEG-Archiv, Nachlass Schemfil, Kryptonachlass Edith Schemfil, Nr. 9; sowie die zitierte Passage hier: Reichsstatthalterei an Edith Schemfil, 14. September 1943, ZEG-Archiv, Nachlass Schemfil, Kryptonachlass Edith Schemfil, Nr. 9 (Hervorhebung im Original).

[12] TLA, Amt der Tiroler Landesregierung, Abt. Präs. I/Personal, Schemfil, Edith Dr. med., TLA-Zl.: 11109.

[13] Vgl. Arbeitsamt-Ausweis Edith Schemfil, 8.8. 1946, ZEG-Archiv, Nachlass Schemfil, Kryptonachlass Edith Schemfil, Nr. 9.

[14] Abschriften Edith Schemfil an Dekanat der medizinischen Fakultät der Universität Innsbruck, 28.10.1947 u. 30.8.1948, ZEG-Archiv, Nachlass Schemfil, Kryptonachlass Edith Schemfil, Nr. 9.

[15] Lebenslauf Edith Schemfil, o. D., ZEG-Archiv, Nachlass Schemfil, Kryptonachlass Edith Schemfil, Nr. 9.

[16] Vgl. Ansuchen Kassenpraxis, 18.12.1949, 29.7.1950, 1.1.1954, 6.2.1954, 4.5.1955 u. 20.8.1955, ZEG-Archiv, Nachlass Schemfil, Kryptonachlass Edith Schemfil, Nr. 9; sowie Ablehnungen Kassenpraxis, 20.1.1954, 20.2.1954 u. 17.5.1955. ZEG-Archiv, Nachlass Schemfil, Kryptonachlass Edith Schemfil, Nr. 9.

[17] Zulassung Kassenpraxis, 1.10.1955, ZEG-Archiv, Nachlass Schemfil, Kryptonachlass Edith Schemfil, Nr. 9.

[18] Pension der SVA, 1989–1991, ZEG-Archiv, Nachlass Schemfil, Kryptonachlass Edith Schemfil, Nr. 106.

[19] Vgl. Reisepass Edith Schemfil, 1950–1975, ZEG-Archiv, Nachlass Schemfil, Kryptonachlass Edith Schemfil, Nr. 9; sowie: Diasammlungen Edith Schemfil, o. D., ZEG-Archiv, Nachlass Schemfil, Kryptonachlass Edith Schemfil, Nr.242 u. 263.

[20] Vgl. Briefwechsel mit Verlagen und Historikern, 1983–1984, ZEG-Archiv, Nachlass Schemfil, Kryptonachlass Edith Schemfil, Nr. 1; sowie: Korrespondenz Drucklegung Manuskript „Der Tiroler Freiheitskampf 1809“, 1985–1988, ZEG-Archiv, Nachlass Schemfil, Kryptonachlass Edith Schemfil, Nr. 121.

[21] Vgl. ebd.

[22] Hans Karl Peterlini, Die Achse am Brenner. Die Rolle der Geheimdienste seit den 70er Jahren. Südtirol zwischen Gladio und Stasi, in: Im Schatten der Geheimdienste. Südtirol 1918 bis zur Gegenwart, hg. v. Gerald Steinacher (unter Mitarbeit von Leopold Steurer), Innsbruck 2003, S. 229–263, hier: S. 238.

[23] Brigitte Bailer/Wolfgang Neugebauer, Die FPÖ: vom Liberalismus zum Rechtsextremismus, in: Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus (hg. v. Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands), Wien 21993, S. 357–494, hier: S. 360.

[24] Bayerisches Staatsministerium des Innern (Hg.), Verfassungsschutz Informationen. 1. Halbjahr 2001, München 2001, S. 14.

[25] Eine Fotografie aus dem Jahr 1932 zeigt Edith Schemfil im Winter 1932 auf einem Skiausflug mit „Nibelungen“ – Mitgliedern der Pennälerverbindung Nibelungen Bregenz (Fotoalbum Edith Schemfil, o. D., ZEG-Archiv, Nachlass Schemfil, Kryptonachlass Edith Schemfil, Nr. 127, S. 3), in ihren überlieferten Schulunterlagen finden sich Festprogramm beziehungsweise Liederfolge eines Kommerses „der Waffenstudenten“ im Juni 1932 (Schulunterlagen Edith Schemfil, 1930–1933, ZEG-Archiv, Nachlass Schemfil, Kryptonachlass Edith Schemfil, Nr. 107). Fotografien weisen außerdem auf ein Naheverhältnis zu Mitgliedern der Innsbrucker Burschenschaft Germania während ihrer Studienzeit hin (Fotoalbum Edith Schemfil, 1933–1938, ZEG-Archiv, Nachlass Schemfil, Kryptonachlass Edith Schemfil, Nr. 91).

[26] Vgl. Einladung Gedenkkommers, Mai 1984, ZEG-Archiv, Nachlass Schemfil, Kryptonachlass Edith Schemfil, Nr. 261; sowie: Ehrenkarte Edith Schemfil, Mai 1984, ZEG-Archiv, Nachlass Schemfil, Kryptonachlass Edith Schemfil, Nr. 261; sowie: Der Tiroler. Für ein freies und einiges Tirol, 4 (1984), Heft 2, S. 3. Unter den Ehrengästen waren neben bekannten rechtsextremen Exponenten wie Kienesberger, Norbert Burger, Helmut Golowitsch (vgl. Bailer/Neugebauer, Die FPÖ, S. 360.) oder Otto Scrinzi (vgl. derStandard.at, Rathkolb: „Scrinzi war am rechtsextremen Rand der FPÖ“, 3.1.2012, [http://derstandard.at/1325485522210/Otto-Scrinzi-1918-2012-Rathkolb-Scrinzi-war-am-rechtsextremen-Rand-der-FPOe], Zugriff am 27.9.2016.) jedoch unter anderem auch einige ehemalige Mitglieder der Tiroler Kaiserjäger sowie hohe Vertreter von Bund (Justizminister Harald Ofner), Land Tirol (z. B. LH-Stv. Fritz Prior oder Landtagspräsident Josef Thomann), Stadt Innsbruck (Bgm. Romuald Niescher) oder auch der Rektor der Universität (Josef Rothleitner).

[27] Vielen Dank an Peter Goller vom Archiv der Universität Innsbruck (UAI) für diese Auskunft.