23. bis 29. Nov.

1809 als Sprungbrett an den Kaiserhof für Simon Franz Rieder

Das Jahr 1809 gilt als Schicksalsjahr für das Land Tirol. Doch was, besser wer ist das Land Tirol eigentlich? Wenig spricht wohl dagegen das Land mit der Summe seiner Bewohner gleichzusetzen. Und so wird aus dem Schicksalsjahr eines Landes das Jahr der vielen Einzelschicksale.

Für viele Familien bedeutete das Jahr 1809 wohl ein Jahr des Verlusts, sei es an Eigentum oder Leben, für manche war 1809 vielleicht ein Jahr der Freude, sei es aufgrund der eigenen Hochzeit (siehe Beitrag Leben abseits des Aufstandes) und für manche stand das Jahr 1809 am Anfang eines völlig neuen und unerwarteten Lebensabschnitts. Als Beispiel für letzteres steht hier nun eine knappe Skizze des Lebens von Simon Franz Rieder (siehe ergänzend dazu den Beitrag zu dessen Vater, Simon Thaddäus Rieder).

Simon Franz Rieder kam am 1. Dezember 1786 als ältestes von insgesamt vier Kindern von Maria Rieder, geborene Mayr und Simon Thaddäus Rieder in der Südtiroler Gemeinde Feldthurns zur Welt. Bei den Kämpfen des Jahres 1809 war Rieder gemeinsam mit den Feldthurner Schützen siebenmal im Einsatz, etwa auch bei den Gefechten am Bergisel im Mai. Von 8. bis 25. Oktober führte Rieder 28 Mann als Hauptmann in die Gegend um Kufstein. Wie sein Vater, Simon Thaddäus Rieder, wurde auch Simon Franz Ende November 1809 von den Franzosen gesucht, konnte sich vor den Soldaten in den Bergen um Feldthurns verstecken. Darüber berichtet etwa 100 Jahr später die Zeitung:

Er wagte es nicht mehr, wie sein Vater, auf den Planklhof zurückzukehren, sondern trieb sich in den Wäldern und Gräben herum. Auch seine Leute ließ er den Aufenthalt nicht wissen, damit sie, falls es gefordert würde, ruhig schwören könnte, daß sie ihn nicht wissen; sie mußten ihm nur täglich das Essen in den sogenannten „Wöhr-Graben‘ tragen, dort holte er es ab und brachte das leere Geschirr wieder auf den gleichen Platz zurück. So ging es 14 Tagelang, dann holte er nichts mehr ab. Die Seinigen meinten, er sei jetzt gefangen, und harrten in banger Sorge auf eine Nachricht. Endlich – nach sechs Wochen – traf diese ein, und zwar in Form eines Briefes aus Wien. (Neue Tiroler Stimmen, 1911, Nr. 103, 1.)

Diesem Brief zufolge hatte Simon Franz Rieder durch Erzherzog Karl Franz, dem Vater des späteren Kaisers Franz Joseph, Aufnahme am Wiener Hof gefunden. Dort habe er, wie heute noch auf einer ihm und seinem Vater zu Ehren angebrachten Gedenktafel in Feldthurns zu lesen ist, als „Schützenmeister“ den Kaisern von Österreich und Mexiko, nämlich Franz Joseph und Maximilian das Schießen und Jagen beigebracht. Ein einziges Mal noch, so erinnern die Neuen Tiroler Stimmen (und eine heute gut 90jährige, noch in Feldthurns lebende Verwandte Simon Rieders) sei Rieder in seine alte Heimat zurückgekehrt. Und zwar im Gefolge Kaiser Ferdinands anlässlich der Eröffnung der Franzensfeste im Jahr 1836. Einen Tag besuchte er dabei seine Angehörigen, die ihn aber erst nachdem er in der Sprache seiner Kindheit versichert hatte, er sei der Siml aus Wien, erkannte.

Sucht man heute nach den Spuren des Siml aus Wien, so stößt man in den Beständen des Haus-, Hof- und Staatsarchivs tatsächlich auf einen Simon Franz Rieder. Dieser war entgegen der in Feldthurns überlieferten Tradition aber nicht Schützenmeister, eine Bezeichnung, die es am Wiener Hof nicht gab, sondern seit dem Frühjahr 1842 k.k. Leiblakey für das erwartete Kind von Erzherzogin Sophie und Franz Karl, dem am 15. Mai 1842 geborenen Ludwig Victor. Wobei er für diese Stelle vom Erzherzog persönlich ausgesucht worden war. (HHStA, OMeA, Jahrgang 1842, Nr. 496, GZ 131/3).

Als vier Jahre später Joseph Stadler, Kammerdiener des am 15. Mai 1842 geborenen Ludwig Victor, seinen Ruhestand antritt, löst dies eine Kettenreaktion aus, an deren Ende Simon Rieder vom k.k. Leiblakai zum k.k. Saaltürhüter befördert wird, da der bisherige Türhüter jetzt Kammerheizer und der Kammerheizer neuer Kammerdiener wurde. (Vgl. HHStA, OMeA, Protokoll Jahr 1846, Nr. 1279. Der Bestand, welcher die dem Protokolleintrag entsprechenden Akten beinhalten sollte, Aktenzahl 122/10, ist derzeit nicht auffindbar.).

Aus der ebenfalls im Haus-, Hof- und Staatsarchiv aufbewahrten Todesanzeige Simon Franz Rieders (er starb am 6. Juni 1859), geht darüber hinaus hervor, dass der gebürtige Feldthurner im heutigen dritten Wiener Gemeindebezirk lebte, mit seiner Frau Barbara einen Sohn namens August Karl hatte, welcher wiederum Vater von Magdalena, August, Theresia, Karl und Anton Rieder war. (OMeA Jahr 1859, Einheit 723, Aktenzahl 37/17)Das Jahr 1809 gilt als Schicksalsjahr für das Land Tirol – und für die Familie des Simon Rieder.

 Peter Andorfer

Quellen und Literatur:

– Sigmund, J., Die beiden Landesverteidiger von 1809 in Feldthurns, der Planklbauer Simon Rieder und dessen gleichnamiger Sohn, in: Tiroler Stimmen, Jg. 191, Nr. 103, 1f.
– Haus- Hof und Staatsarchiv (HHStA): Bestände des OMeA; Bestände des OStA
– Tiroler Landesarchiv (TLA): Abteilung Landesverteidigung; Standeslisten
– Südtiroler Landesarchiv (SLA): Matriken Pfarre Mühlbach